“Ich glaube, jetzt ham mich widder irgendwelche Leude entdeckt.”
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Am zweiten Tag seiner Obdachlosigkeit beglückte uns unser flüchtender Fordfahrer bereits am Mittag mit einem neuen (ziemlich langweiligen) Video aus der Konserve, in dem er von den letzten Tagen in der Schanze berichtet:
Das Vergangenheitsrainerle hockt vor dem Greenscreen in der Wohnarbeitsspielküche und stellt fest: “Ich bin immer noch zuhause bei mir, wir ham jetzt mittlerweile Mittwoch.”
Gestern ist er “überhaupt nicht dazu gekommen […], irgendwas zu tun”, da wegen der “Idioten” vor dem Haus den ganzen Tag “übelster Stress war”. Dennoch war er in Nürnberg bei seinem Lagerraum und in Erlangen, um sich seinen neuen Laptop zu kaufen.
Heute hat er sich “ein neues Tablet gekauft”, das er gerade auch schon “eingerichtet” hat. (Da geht es hin, das liebe Geld …)
Rainerle schaltet versehentlich seinen “Aktenzerschredderer” ein.
Schwenk durch den Raum, um uns zu zeigen, was er alles bereits weggeschafft hat.
Seine übrigen Poster wird er vielleicht “einfach wegreiß[en]”.
“Ich befürchte, dass die Hater hier natürlich einbrechen werden. Die Hater werden hier vermutlich einbrechen und werden hier Sachen klauen, Sachen kaputt machen und so weider. Und deswegen wird’s wohl so laufen, dass ich vorher natürlich alles, was ich mitnehmen will, mitnehme … und alles, was ich nicht mitnehme, wird wahrscheinlich entweder geklaut oder natürlich vorher dann von der Gemeinde entsorgt.” (Ich hoffe, die Entsorgung deines Mülls wurde dir großzügig vom Kaufpreis des Hauses abgezogen.)
“Ein paar meiner Sextoys muss ich auch noch einlagern.” (Wenn man sonst keine Probleme hat …)
Heute wird er “den Rechner abbauen” und alles “rausräumen”, was die Hater “noch klauen könnten”.
In den letzten Tagen hatte er kaum Zeit, vor dem PC zu sitzen, weil er so damit beschäftigt war, seine Habseligkeiten wegzuschaffen. (Das muss wirklich ungewohnt für dich gewesen sein.)
Mit seinem neuen Tablet wird er nun auch in der Lage sein, Videos hochzuladen und zu streamen: “Ich hab meinen … äh … Internetvertrag angepasst, ich hab jetzt quasi mit ’m Händy und mit ’m Tablet … hab ich jeweils Internet und ich hab vor allem unbegrenztes Internet.”
“Gamingstreams werden gar keine mehr kommen.” Vielleicht klappt es aus einem Hotel mit “guter Internetverbindung” allerdings doch hin und wieder. (Danke, ich verzichte freiwillig.)
“Ich könnte es theoretisch gesehen hier schon sagen, wo ich bin, aber … Also, ich weiß ja schon, wo ich hin will, aber ich werd’s hier mal noch nicht sagen.” (Naja, du wurdest sowieso direkt aufgespürt, lel.)
“Da fällt mir ein, ich muss meine Route noch mei’m Anwalt mitteilen, […] ich will sichergehen, dass es ned hinterher heißt: ‘Ööööh, der haut ab - Untersuchungshaft!’” (Ganz ehrlich: U-Haft wäre tatsächlich die beste Option für dich.)
Zur Gerichtsverhandlung wird er selbstverständlich erscheinen.
Rainerle ist “ein bisschen nervös”, aber auch “in freudicher Erwartung”. (Vergangenheitsrainerle wusste schließlich auch noch nicht, dass er sich bereits in der ersten Nacht der Obdachlosigkeit schon eine Verfolgungsjagd mit den Hatern liefern würde …)
Er hat zwar Ziele im Kopf, die er ansteuern möchte, aber einen genauen Plan hat er nicht: “Ich werd’ wahrscheinlich größtenteils nach Schildern fahr'n und so. Und ich werd’ vermutlich auch zu dem Zeitpunkt livegestreamt haben."
Tschötschö.
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Der erste Livestream ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten - am Nachmittag war es unter dem Titel “Das Geilsts An Den Hatern” schließlich soweit:
Wir sehen Rainerle in der freien Natur vor blauem Himmel und ein paar Bäumen sitzen und eine Zigarette rauchen: "Ich steh’ grad’ am Rastplatz und … ich könnt’ mir so den ARSCH ablachen! [gekünsteltes Lachen] Ich könnt’ mir so den ARSCh ablachen, ganz ehrlich! Ähm … es is’ so … ähm … die Hater ham gestern rausgefunden, in welchem Hotel ich bin. Buhu!” (Ja, damit hast du wohl nicht gerechnet, was?)
Für ihn war das “natürlich beschissen”, weil er das Hotel aus Angst um das blaue Elend und weil die Hater “die Rezeption genervt haben”, daraufhin leider “verlassen” musste: “Die ham mich auch gar ned gebeten, zu gehen, ich hab durchaus selber entschieden, zu gehen.” (Also hat man dir seitens des Hotels wahrscheinlich sehr wohl einen baldigen Aufbruch nahegelegt.)
“Oah, is’ des kalt hier!”
“Der Witz is’ - es is’ letzten Endes völlich irrelevant, wo ihr mich gesehen zu haben glaubt, weil … es is’ sowieso völlich Blödsinn, weil die Hater widder mal nur widder Scheiße bauen.”
Die letzte Nacht hat er im Auto verbracht.
“Jetzt steh’ ich an der Raststätte irgendwo im Nirgendwo.”
Er hat bereits “mehrere Videos widder aufgenommen”, aber “einige davon werden erst in ein paar Tagen kommen”, wenn er “weiter weg” ist.
“Ihr seht ja im Prinzip nichts. Ihr seht hinter mir an blauen Himmel, aber des trifft momentan auf 'n bestimmt großen Bezirk zu … ähm … und ihr seht hinder mir … äh … ääääh … Bäume. Wahnsinn. An fast jeder Raststädde sind irgendwo Bäume.” (Aber nicht unbedingt Birken und Nadelgehölz. Aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei wohl um einen Rastplatz zwischen Nürnberg und Pegnitz.)
Zum Glück ist sein blaues Elend “recht bequem”, sodass er keine Rückenschmerzen hat, aber: “Es war am Anfang 'n bisschen unbequem, weil ich auf der Fahrerseite geschlafen hab.” Am Ende hat er sich dann doch dazu entschieden sein Nachtlager, “auf der Beifahrerseite” aufzuschlagen.
Nervöser Blick zur Seite: "Ich glaube, jetzt ham mich widder irgendwelche Leude entdeckt.” (Dafür gibt’s sogar schon eine eigene Website - WoIstRainer.de.)
Die Hater wollen ihn schon wieder an allen möglichen Orten gesichtet haben - das ist “ein Witz ohne Ende”. (Ich glaube, das Lachen ist dir eigentlich schon längst vergangen.)
“Obdachlosigkeit isses ja in dem Sinn ned. Ich hab ja die Möglichkeit, in Hotels zu pennen, ich hab ja genug Kohle.” (Aber einen festen Wohnsitz hast du nun mal nicht.)
Rainerle zeigt sich weiterhin angespannt, weil er sich “unsicher” ist, ob er gerade wirklich von Hatern beobachtet wird. (Die Paranoia ist stark in dir, junger Vagabund.)
Eine Wohnung hat er zwar immer noch nicht gefunden, “aber es is’ auf jeden Fall in Arbeit”. (Ganz bestimmt ist es das.)
Es trudelt eine Spende über 10€ ein: “Dange übrigens für eure Unterstützung, die kann ich momentan echt gut gebrauchen, weil … äh … es is’ natürlich echt schwierich wegen den ganzen Hateridioten … äh … sich da irgendwo einzuquartieren und alles.” (Vor einer Minute hattest du doch noch “genug Kohle”…)
“Es gab kei’ Verfolgungsjagd in Frankfurt. […] Als ich ausgecheckt bin, is’ mir jemand hinterhergefahr'n, aber der is’ mir nicht lange hinterhergefahr'n.”
“Natürlich war ich angepisst davon, dass mich Leude widder gefunden ham und dass ich nicht mal einen einzigen beschissenen Tag meine Ruhe hadde.” (Ja, was hast du denn erwartet? Es war doch klar, dass es so kommen würde.)
Trotz allem hatte er eine “halbwegs ruhige Nacht” und konnte “vier oder fünf Stunden” schlafen.
Rainerle hat einen Schlafsack dabei, mit dem er sich zugedeckt hat. “Das Aufstehen” war dann allerdings doch etwas “unangenehm”, weil es “arschkalt” war.
Gerade streamt er über das Tablet.
“Na klar wirk’ ich entspannt. Und ich bin auch entspannt.” (Genau, deswegen hattest du eben auch schon wieder Angst, entdeckt worden zu sein.)
Gestern haben die Hater ihn zwar schnell gefunden, doch aktuell “tappen se wieder im Dunkeln”. (Wenn du dich da mal nicht täuschst …)
“Da is’ 'ne Familie, die möchte essen, deswegen werd’ ich jetzt mal den Stream beenden.”
“Ich könnte aus dem Audo streamen, mach’ ich aber ned. Ich werd’ in Zukunft nur noch so streamen, wo man nicht wirklich erkennen kann, weil so 'ne Baumreihe gibt’s hier überall.”
Er ist also für eine Nacht nach Frankfurt gefahren und dann am nächsten Tag mutmaßlich direkt wieder zurück.
Das hat sich ja echt gelohnt!
Ich sehe es schon kommen, dass Rainerle nach ein paar Tagen keine Lust mehr auf das Rumgefahre hat und nach Altschauerberg zurückkehrt, in der Hoffnung, bis zum Prozessbeginn dort noch etwas nächtigen zu dürfen.
Wahrscheinlich wird er dort aber nur noch Trümmer vorfinden - denn laut einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung wurde die Drachenschanze bereits entrümpelt und werde “zeitnah abgerissen”.
Vielleicht darf er sich aus den verbleibenden blauen Planen ja ein Zelt basteln …